Zitat des Monats
«Andere Länder haben bereits bedeutende Fortschritte gemacht, und es ist essenziell, dass wir in der Schweiz von diesen Erfahrungen profitieren, um Open Pension erfolgreich umzusetzen.»
Michael Müller, Partner bei Acrea und Leiter des Projekts "Open Pension" von SFTI im Interview mit bLink
Open Banking aktuell
«Open Pension»: Neuer Schwung für die Schweizer Altersvorsorge?
Anfang Jahr kündigten Stephanie K. Wickihalder, Präsidentin & Cornelia Stengel, Co-Direktorin und Geschäftsleitungsmitglied von Swiss Fintech Innovations (SFTI) im Januar-Newsletter an, dass das Thema Datenaustausch insbesondere im Vorsorgebereich stark an Relevanz gewinnen dürfte. In Grossbritannien läuft mit dem «Pension Dashboard Programme (PDP)» aktuell eine interessante Standardisierungsinitiative (siehe Mai-Newlsetter) und in bestimmten EU-Ländern sind Rentendaten teilweise sogar schon digital zugänglich. Bürgerinnen und Bürger können sich dort in sogenannten «Pension Tracking Systems (PTS)» einen ganzheitlichen Überblick über ihre Rentensituation sowie ihre erwarteten Rentenansprüche verschaffen.
In der Schweiz ist eine solche Übersicht aktuell nicht möglich. Die Vorsorgedaten aus den verschiedenen Säulen sind zu fragmentiert und müssen, wenn, dann manuell zusammengetragen werden. Das erschwert gleichzeitig glaubwürdige Prognosen zur finanziellen Situation im Rentenalter und hemmt dadurch potenziell die aktive Auseinandersetzung der Schweizer Bevölkerung mit der privaten Altersvorsorge.
Zwar gibt es verschiedene öffentliche und private Vorstösse: Der Bundesrat hat gemäss seiner Medienmitteilung zur Förderung von Open Finance im Dezember 2022 das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) damit beauftragt, zu prüfen, «wie der digitale Zugang zu Altersvorsorgedaten angemessen gefördert werden kann». Ausserdem arbeitet Innosuisse mit dem Projekt «Digital Individual Benefit Statement (DIBS)» an einem Schweizer PTS-Prototypen. Daneben sind auch verschiedene Banken, Versicherungen und Startups darum bemüht, innovative Vorsorgelösungen zu entwickeln. Allerdings fehlt es dabei – insbesondere in Bezug auf entsprechende Datenschnittstellen – sowohl an Koordination als auch Standardisierung, um ein wirklich umfassendes Vorsorge-Ökosystem zu etablieren.
Der Branchenverband Swiss Fintech Innovations (SFTI), der sich bereits in der Standardisierung von Open-Banking-Schnittstellen erfolgreich bewährt, und das Beratungsunternehmen Acrea haben deshalb das Projekt «Open Pension» ins Leben gerufen. Wir haben bei Michael Müller, Partner bei Acrea und Leiter des Projektteams nachgefragt, was es damit auf sich hat und welche Ziele das Projekt verfolgt.
Im Interview: Michael Müller
Partner bei Acrea und Projektleiter Open Pension bei Swiss Fintech Innovations (SFTI)
Herr Müller, um was geht es bei «Open Pension» genau?
Es ist zunächst wichtig zu verstehen, was «Open Finance» ist, von dem sich der Begriff «Open Pension» ableitet. Open Finance beschreibt den Austausch von Finanzdaten über standardisierte und sichere Datenschnittstellen auf Wunsch der Endkundinnen und Endkunden. Solche Finanzdaten können Finanzberater, Fintech-Unternehmen oder andere Institutionen dabei unterstützen, einfach und effizient einen Gesamtüberblick über die finanzielle Situation einer Person oder einer Organisation zu gewinnen und auf dieser Grundlage persönliche Beratungen und zusätzliche Dienstleistungen anzubieten. Der Teilbereich von Open Finance, der sich mit Vorsorgedaten befasst, nennen wir Open Pension. Das Hauptziel von Open Pension ist, Schweizer Versicherten neue Mehrwerte und einen direkten Nutzen zu bieten. Dieser äussert sich zum einen in einer erhöhten Transparenz, zum andern in verbesserten Selbstbestimmungsmöglichkeiten in Bezug auf die eigene Vorsorge. Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass Vorsorgedaten wie eingangs erwähnt über digitale Schnittstellen einfach verfügbar sind.
Was bedeutet das konkret für Schweizer Bürgerinnen und Bürger? Wie verändert sich die Vorsorgeplanung für sie?
Die Altersvorsorge zählt zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. Wie eine repräsentative Studie der Bank CIC zeigt, verfügt dabei ein Grossteil der Schweizerinnen und Schweizer über keine private Vorsorge. Zudem haben lediglich 27 % bisher ernsthaft darüber nachgedacht, wie sich ihr Arbeitspensum auf ihre Altersvorsorge auswirken könnte. Das zeigt eine von Swiss Life in Auftrag gegebene Befragung von Schweizer Eltern. Diese Zahlen verdeutlichen eine signifikante Lücke im Bewusstsein und in der Planung der finanziellen Absicherung im Alter. Unter diesen Voraussetzungen besteht also wichtiger Handlungsbedarf.
Wir sehen es als Vision von Open Pension, dass Vorsorgedaten zugänglicher werden und dort digital einseh- und nutzbar sind, wo sich Bürgerinnen und Bürger ohnehin schon natürlich bewegen. Ein gutes Beispiel dafür sind kommerzielle Finanzplattformen und -Apps. Anstatt sich extra auf einer Website der Pensionskasse anmelden zu müssen, könnten die Nutzerinnen und Nutzer Informationen über ihr Altersguthaben und Rentenansprüche z. B. direkt in ihrem e-Banking, Mobile Banking oder in einer Fintech-App einsehen. Dafür geben die betreffenden Personen vorher natürlich online ihre Zustimmung, ihre Daten mit der Bank oder dem Fintech zu teilen. Mit der zusätzlichen Integration von einfachen, verständlichen Hinweisen und Simulationen in die App würde die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Altersvorsorge erleichtert und auch gefördert. Diese Vision zielt schlussendlich darauf ab, die Distanz zwischen Versicherten und Pensionskassen zu überbrücken, indem eine alltagsnahe und benutzerfreundliche Schnittstelle geschaffen wird.
Das Thema Open Pension steht ja bereits seit längerem im Raum. Warum scheint eine Umsetzung in der Schweiz so schwierig? Was sind aktuell die grössten Hindernisse?
Die Umsetzung von Open Pension stellt insbesondere im Bereich der zweiten Säule eine komplexe Herausforderung dar, da eine Vielzahl von Stakeholdern wie Versicherungen, Banken, Pensionskassen unterschiedlicher Ausprägungen, diverse Verbände und staatliche Einrichtungen – einschliesslich nationaler Institutionen der zweiten Säule, wie die Stiftung Auffangeinrichtung BVG – involviert sind. Deren Interessen und Perspektiven müssen sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Ein weiteres fundamentales Hindernis liegt in der geringen Motivation der Datenanbieter, offene Schnittstellen zu entwickeln und bereitzustellen, da für viele die direkten Anreize fehlen und aktuell weder eine regulatorische Pflicht noch ein selbst-regulatorischer Konsens für eine Öffnung besteht. Um die unterschiedlichen Ansichten dieser Stakeholder besser zu verstehen und zu berücksichtigen, führen wir derzeit mit SFTI bis am 15. Dezember eine umfassende Umfrage durch (jetzt teilnehmen!). Diese soll als Basis dienen, um strategische Optionen zu identifizieren, die wiederum als Grundlage für weitere politische und marktgetriebene Diskussionen dienen.
Ein Blick über den Tellerrand: Andere Länder sind in puncto Datenaustausch im Vorsorgebereich schon etwas weiter. Was machen diese Märkte richtig, das wir auch in der Schweiz adaptieren könnten?
Aus internationalen Märkten beobachten wir tatsächlich ein paar interessante Trends, die wir auch im Rahmen unseres Projekts berücksichtigen. In Norwegen beispielsweise wurde das von Norsk Pensjon betriebene Pension Tracking System (PTS) gegenüber kommerziellen Anbietern geöffnet, sodass auch diese sich an die Datenschnittstelle anbinden konnten. In der Folge stieg das Abfragevolumen für Vorsorgedaten um das Dreissigfache, getrieben z.B. aus dem E-Banking von Banken, von wo aus Nutzerinnen und Nutzer direkt auf ihre Vorsorgedaten zugreifen können. Die PTS verschiedener Länder entwickeln sich fortlaufend weiter, basierend auf regelmässigem Nutzerfeedback. Das belgische PTS etwa wurde seit 2010 bereits fünfmal überarbeitet, was die Bedeutung von Nutzerfeedback und kontinuierlicher Verbesserung für eine solche Anwendung hervorhebt. Die europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) hat zudem in einem technischen Ratgeber relevante Erfahrungen in der Entwicklung von PTS zusammengefasst und entsprechende Richtlinien erarbeitet. Wer gerne mehr über die Aktivitäten im Ausland rund um PTS wissen will, dem empfehlen wir folgenden Blog.
In Ländern wie den Niederlanden, Dänemark und Norwegen existieren darüber hinaus sichere, zentrale Verzeichnisse, die registrieren, bei welchem beruflichen Vorsorgeanbieter die Bürgerinnen und Bürger versichert sind. Das ist insofern wichtig, als Versicherte zwar über ihre Pensionskasse informiert sind, es ihnen jedoch möglicherweise zum Zeitpunkt der Zustimmung für Open-Pension-Angebote nicht mehr präsent ist, bei welcher Einrichtung ihre Altersvorsorge verwaltet wird. Ähnliche Register gibt es auch bereits in der Schweiz, allerdings noch ohne Online-Schnittstelle, die den einfachen Zugriff auf diese Register durch vertrauenswürdige Anbieter erlaubt.
Das Fazit lautet: Andere Länder haben bereits bedeutende Fortschritte gemacht, und es ist essenziell, dass wir in der Schweiz von diesen Erfahrungen profitieren, um Open Pension erfolgreich umzusetzen.
Weiter in den News
Béatrice Sidler, Leiterin Multichannel-Management der Zürcher Kantonalbank erklärt, wie Open Banking bei der ZKB zu einem positiven Kundenerlebnis beiträgt. Newsartikel (DE)
Open Banking aus der Romandie: Unsere bLink-Freunde von Sway Finance und die Banque Cantonale Vaudoise sprechen im Schweizer Rundfunk (RTS) über die wachsende Relevanz von Open Banking für die Schweiz. Newssendung (FR)
Lösen Fintechs klassische Banken irgendwann ab? Wahrscheinlich nicht. Aber es geht auch nicht mehr ohne ein Miteinander. Ein Aufruf von Jan-Philip Schade, CEO von Kaspar& für ein starkes gemeinsames Ökosystem. Newsartikel (DE)
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Use Case des Monats
Fleming: Banking für die Gesundheitsbranche aus einer Hand
Der initiale Hype ist zwar vorbei, aber trotzdem steht spätestens seit der (internationalen) Berichterstattung zu «Coop Finance+» auch in der Schweiz wieder einmal die berechtigte Frage im Raum, ob Banken die Kundenschnittstelle im Banking behalten werden bzw. sollen (siehe Oktober-Newsletter). Einer der Vorteile von Drittanbietern ist, dass sie sich auf bestimmte Zielgruppen fokussieren können, mit einem klaren Verständnis ihrer Bedürfnisse und entsprechend hoch-personalisierten Angeboten. Heute beleuchten wir aber kein Retail-, Gastro- oder Immobilienunternehmen, sondern ein Fintech, das sich über Embedded Finance als «Nischenbank» positioniert.
Fleming, gemäss Slogan «Mehr als eine Bank für Heilberufe», ist eine Plattform für Unternehmen im Gesundheitsbereich, von Arztpraxen über Apotheken bis hin zu Tierkliniken. Gestartet ist das Fintech mit einem voll digitalisierten Angebot für Investitions- (Praxisgründungen und -übernahmen) und klassische Betriebsmittelkredite, in Kooperation mit führenden Kredithäusern wie Deutsche Kreditbank oder ING. Um ihr Finanzangebot auszubauen, hat Fleming zusammen mit der BaaS-Anbieterin Swan und Mastercard neu auch ein Bankangebot mit intelligentem Geschäftskonto plus Karte lanciert. Cesar Hussmann, Gründer und CEO von Fleming erklärt: «Konto & Karte [gehörten] von Anfang an zu den strategischen Säulen von Fleming – nicht nur um Kunden vor und nach der Kreditvergabe an sich zu binden, sondern Fleming zu einer umfassenden End-to-End Banklösung auszubauen.»
Dadurch biete Fleming nun rund um die Uhr Zugang zu Banklösungen, «angesichts der chronischen Zeitknappheit in der Healthcare-Branche ein wichtiges Auswahlkriterium». Mit diesem hoch-personalisierten Ansatz will das Fintech denn auch zur führenden Anbieterin von smarten Finanzlösungen für die Gesundheitsbranche werden – ermöglicht durch starke Partnerschaften mit etablierten Finanzinstituten im Hintergrund. Ein Nischenmodell, das wir zukünftig mit wachsender Wahrscheinlichkeit bei Fintechs und kommerziellen Plattformen sehen dürften.
«bLink» Dich ein
NextBusiness mit «Infinity Finance» live auf bLink
Herzlich willkommen in der bLink-Community, NextBusiness!
Die Softwareanbieterin hat mit «Infinity Finance» eine intuitive Buchhaltungslösung für Startups, Freelancer und Kleinunternehmen lanciert, die neben interaktiven Finanzreports unter anderem auch eine ganz einfache Offerten- und Rechnungsstellung ermöglicht.
«Wir wollen Buchhaltung durch Innovation radikal vereinfachen. Dank Open Banking wird Infinity Finance über Live Accounting mit führenden Schweizer Banken verbunden und generiert basierend auf Machine Learning (ML) intelligente Buchungsvorschläge. Das erspart Kleinunternehmenden aller Art jede Woche Stunden. Nur mit bLink konnten wir diese Funktionalität innerhalb kürzester Zeit vom Konzept zur Realität bringen», freut sich Stefan Wittwer, CEO der NextBusiness AG.
Mehr darüber, wie Infinity Finance die Buchhaltung mit der Anbindung an bLink zusätzlich vereinfacht, erfahrt ihr hier: https://www.infinity.swiss/finance/live-accounting
Wir freuen uns auf die gemeinsame Reise mit NextBusiness und Infinity Finance!
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euer bLink Team
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