Covid-19 hat die operationelle Belastbarkeit und Bandbreite der Börsen und Marktinfrastrukturen auf eine harte Probe gestellt, doch der Branche ist es – bisher – offenbar gelungen, die damit verbundenen Herausforderungen weitgehend zu bewältigen. Trotz des massiven Anstiegs der Handelsvolumen und der erhöhten Volatilität konnten sich die Marktteilnehmer behaupten, auch wenn die meisten ihrer Mitarbeitenden gezwungen waren, im Homeoffice arbeiten. Die Krise ist zwar längst noch nicht überwunden, doch allmählich zeichnet sich eine neue Normalität ab.
Volkswirtschaft und Aktienmärkte
Die aktuelle Krise hat die Wirtschaft nachhaltig erschüttert und viele Branchen getroffen. Für einige Wirtschaftszweige wird eine Erholung in V-Form erwartet, für andere sind die Aussichten wesentlich düsterer. Die Arbeitslosenquote in den USA erreichte im April ein Allzeithoch von 14,7 Prozent, und es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Industrieländer im Jahr 2020 in eine Rezession schlittern werden. Als Reaktion auf den drastischen Konjunkturrückgang beeilten sich die Regierungen, die Wirtschaft und einzelne Unternehmen durch verschiedene Konjunkturpakete zu unterstützen. Obendrein haben viele Zentralbanken weltweit die Zinssätze deutlich gesenkt, unter anderem die Fed auf Null und die Bank of England (BOE) auf 0,1 Prozent. Im Allgemeinen führen die staatliche Unterstützung und der Zugang zu billigerem Kapital dazu, dass viele Unternehmen eher in der Lage sind, ihr Wachstum fortzusetzen, in neue Projekte zu investieren, Dividenden an ihre Aktionäre zu zahlen oder Aktienrückkäufe durchzuführen. Ausserdem wird der Aktienmarkt wahrscheinlich grössere Kapitalzuflüsse verzeichnen, da andere Anlagemöglichkeiten wie festverzinsliche Wertpapiere oder Bargeldbestände weniger attraktiv sind.
Veränderte Marktstrukturen im Aktienhandel
Durch die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente II (MiFID II) wurde die Struktur des Aktienmarktes in den letzten zwei Jahren umgestaltet. Dabei entstanden neue Liquiditätsquellen wie systematische Internalisierer («Systematic Internalisers», SIs), die neben dem bestehenden Ökosystem der geregelten Märkte und multilateralen Handelssysteme («Multilateral Trading Facilities», MTFs) operieren. Zudem führte die MiFID II-Richtlinie Massnahmen ein, mit denen die Liquidität in die Handelsplätze mit offenem Orderbuch umgelenkt werden sollte. Beispielsweise wurden Handelsbeschränkungen eingeführt (die sogenannten «Double Volume Caps» oder DVCs), um das europäische Handelsvolumen in Dark Pools zu verringern. Bis dato haben wir gesehen, dass die DVCs neue Marktmodelle wie beispielsweise Frequent-Batch-Auktionen begünstigt und die Nachfrage nach Block-Ausführungen verstärkt haben. Obwohl MiFID II eigentlich die bestmögliche Ausführung fördern sollte, hat die Richtlinie durch die Vielzahl neuer Handelsplätze und Marktmodelle zu einer weiteren Fragmentierung des Marktes beigetragen. Einerseits ist die Fragmentierung gut für die Marktteilnehmer, da sie den Wettbewerb fördert und die Transaktionskosten senkt. Auf der anderen Seite erhöht die Fragmentierung jedoch die Kosten für die erfolgreiche Suche nach Liquiditätsquellen. Derzeit lässt sich kaum absehen, welcher der beiden Aspekte im Vordergrund steht.
Interessanterweise veröffentlichte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA nur 26 Monate nach Einführung der MiFID II ein Konsultationspapier zur Überprüfung des bestehenden MiFID-II-Rahmens für die Eigenkapitaltransparenz. Dieses Papier hat in der gesamten Branche Schockwellen ausgelöst, da die ESMA-Vorschläge, wenn sie umgesetzt würden, massive Auswirkungen auf die Liquiditätsbeschaffung und die Routing-Praktiken hätten. Das Konsultationspapier behandelt viele Bereiche, wie etwa den Handel in Dark Pools, die Nutzung von Frequent-Batch-Auktionen, das SI-System oder den Umfang der Handelspflichten von Aktien («Share Trade Obligation»). Die Stellungnahmen der konsultierten Buy-Side- und Sell-Side-Unternehmen sowie der Börsenbetreiber fielen höchst unterschiedlich aus. Die gesamte Branche sieht der Auswertung des Konsultationsverfahrens durch die ESMA gespannt entgegen, da ihre weiteren Schritte die Marktstruktur für Aktien in den kommenden Jahren wohl entscheidend prägen werden.
Was erwartet uns?
Makroökonomische Faktoren werden den Aktienmarkt in den nächsten Jahren stark beeinflussen. Wir werden im Vergleich zu den Jahren 2018-2019 vermutlich eine höhere Volatilität beobachten. Das Niedrigzinsumfeld in den Industrieländern wird wahrscheinlich noch einige Zeit bestehen bleiben, so dass Aktien eine attraktive Wahl für die Vermögensallokation sind. Was die Marktstruktur betrifft, erwarten wir, dass die Hauptbörsen ihr dominierendes Liquiditätsprofil auf den Heimmärkten beibehalten werden. Der Fragmentierungsgrad könnte geringfügig abnehmen, wenn die Marktteilnehmer sich auf wenige Handelsplätze ihrer Wahl beschränken. Die Bemühungen der Regulierungsbehörden, die Liquidität auf offene Handelsplätze umzulenken, waren bislang zwar nicht erfolgreich, dies könnte sich aber abhängig von den Ergebnissen der ESMA-Konsultation ändern. Und zu guter Letzt ist es unwahrscheinlich, dass der Dark-Pool-Handel und seine Alternativen verschwinden werden. Wir rechnen mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage nach Blockliquidität und versuchen daher, unsere Dienstleistungen so zu positionieren, dass sie diesen Anforderungen gerecht werden.
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