Herr Buck, das erste Quartal war von hoher Volatilität und hohen Handelsvolumen geprägt. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz im ETF-Bereich aus?

Die Marktverwerfungen waren und sind für die ganze Finanzindustrie eine grosse Herausforderung. Aktuell zeigt sich ein erfreuliches Bild. Sämtliche Markteilnehmer haben dazu beigetragen, diese Marktvolatilität gut zu meistern. Die ETF Industrie war nach über 10 Jahren solidem Wachstums und positiven Marktentwicklungen besonders gefordert, sich in einem äusserst schwierigen Markt zu beweisen. In der Summe fiel das 1. Quartal und insbesondere der März mit sehr hohen Aktivitäten auf. Die Emittenten und besonders die Market Maker zeigten sich in diesen turbulenten Wochen insgesamt als solide und zuverlässige Liquiditätsgeber, welche die Bedürfnisse der Anlagekunden befriedigen konnten. So verfügen wir auch 20 Jahre nach der Kotierung des ersten ETFs an der Schweizer Börse über eine gute Ausgangslage für weiteres Wachstum.

Welches waren die Highlights im Q1?
Die Spreads verhielten sich im Einklang mit ihren Basiswerten, die Handelbarkeit war sehr hoch. Bei den Aktien-ETFs war die Preisfindungsführerschaft bei den Basiswerten. Die Bond-ETFs halfen teilweise dem Anleihenmarkt in der Preisfindung und wirkten als zusätzliche Liquiditätsquelle. Die Anzahl Abschlüsse pro Handelstag verdreifachte sich von 4'177 (Durchschnitt 2019) auf 11'945 im März, um sich im April bei rund 8'000 einzupendeln.

In Bezug auf die Asset Klassen sind mir die in der Kategorie Rohstoffe zusammengefassten Edelmetall-ETFs aufgefallen. An der Schweizer Börse vereinen sie rund 6% der gelisteten ETFs, waren aber im 1. Quartal 2020 für über 12% des Umsatzes verantwortlich. Ein Gold-ETF verantwortete in diesem Zeitraum am zweitmeisten Abschlüsse, mit 11'574, knapp hinter einem ETF auf dem SMI mit 11'782 Abschlüssen. Dies unterstreicht das breite ETF Angebot der Schweizer Börse und die Wichtigkeit als Liquiditätsquelle für den Markt.

Laurent Lefèvre, Head Delivery Capabilities, SIX

Die Emittenten und Market Maker zeigten sich als solide und zuverlässige Liquiditätsgeber und konnten die Bedürfnisse der Anlagekunden befriedigen.

André Buck, Global Head Sales bei der Schweizer Börse

Gab es in dieser Zeit einen Kotierungseinbruch?
Erfreulicherweise nicht, unsere Emittenten und Market Maker blieben auch in diesen turbulenten Tagen nicht untätig und erweiterten ihr Produkteangebot. Mit Freude konnten wir Credit Suisse Asset Management Mitte März als neuen ETF Emittenten begrüssen. Weiter wurde die angekündigte Übernahme der Commerzbank ETFs von Société Générale vollzogen, immerhin 750 Produkte, die in diesem herausfordernden Monat März ihren Market Maker wechselten. Im März wurden 21 neue ETFs gelistet, insgesamt 38 für die ersten drei Monate des Jahres.

Wie hat sich der Markt für Strukturierte Produkte entwickelt?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Anleger bei Markturbulenzen auf Index-Basiswerte fokussieren. Dies war auch dieses Mal nicht anders, die Zahlen sind wirklich imposant. So wurden im März über ein Drittel der Gesamtabschlüsse von 135'141 in Produkten mit den Basiswerten SMI oder Dax getätigt; dies zog sich weiter bei den Hebelprodukten wie Warrants, Mini-Futures, Knock-out-Warrants und Constant Leverage Zertifikate – in allen Kategorien bezogen sich die meistgehandelten Basiswerte auf Indizes.

Gab es Auswirkungen im Handel?
Aufgrund der grossen Marktschwankungen hatten einzelne Liquiditätsgeber Mühe, ihren Market-Maker-Aufgaben rasch genug nachzukommen. So verzeichneten wir im März 250 Mistrades, gegenüber 82 im Februar. Aus diesem Grund entschied unsere Marktüberwachungseinheit, das Stop Trading eines Strukturierten Produkts von 30 Sekunden auf 5 Minuten auszuweiten. So hat der Liquiditätsgeber mehr Zeit für eine faire Preisstellung. Bei den ETFs und Aktien beträgt das Stop Trading ebenfalls 5 Minuten. Dies führte rasch zur gewünschten Beruhigung und verbesserten Preisstellung seitens der Liquiditätsgeber. Mit einem Handelsvolumen von rund CHF 9 Mrd. nach über drei Monaten gehen wir davon aus, dass auch im gesamten 2020 mit einem Wachstum des Handelsvolumens gerechnet werden kann, nachdem der Anstieg im 2019 bereits rund 18% auf CHF 17,7 Mrd. betrug.

Wie hat die hohe Volatilität die Zahl der Listings von Strukturierten Produkten beeinflusst?
Mit 10'173 wurde ein neuer Rekord bei den Neuemissionen verzeichnet, davon waren 8'979 Hebelprodukte. Dies zeigt auf der einen Seite, dass im Rahmen der Vormonate Anlageprodukte emittiert wurden, auf der anderen Seite dass die Nachfrage bei den Hebelprodukten lag – was angesichts der starken Schwankungen an den Aktienmärkten absolut nachvollziehbar ist. Wiederum rund 30% der Neuemissionen von Hebelprodukten bezogen sich auf Index-Basiswerte, auch dies ein neuer Rekord.

Das heisst CONNEXOR wurde ebenfalls rege genutzt?
Allerdings! Im März wurden mehr als 230'000 neue Produkte über unser Referenzdaten-Tool für Strukturierte Produkte emittiert. Der bisherige Rekordmonat – Oktober 2018 mit 135'000 Emissionen – wurde also deutlich übertroffen. Die Summe aller Neuemissionen via CONNEXOR im 1. Quartal beträgt über 445'000, darin enthalten sind die 19'544 für die Börse. Auch hier sind wir auf dem Weg zu einem Rekordjahr, da wir im ganzen Jahr 2019 rund 1,1 Millionen neue Produkte hatten. 

Die Schweizer Börse investiert stetig in Innovationen, um ihren Teilnehmern die beste und effizienteste Handelsplattform sowie neue Produkte und Services zu bieten.

Ist dies allein das Ergebnis der Volatilität?
Bemerkenswert ist, dass dieser Zuwachs nicht nur auf die Marktturbulenzen zurückzuführen ist. Wir haben in den letzten Jahren massgeblich in den Ausbau und Automatisierung von CONNEXOR investiert. Dabei hat sich die Anzahl der Emittenten auf derzeit 38 fast verdoppelt, und weitere sind aktuell im Anbindungsprozess. So macht CONNEXOR nicht nur den Schweizer Markt effizienter, sondern auch für andere europäische Märkte werden Produkte verteilt – und wir arbeiten an der Erschliessung des asiatischen Markts.

Welche Entwicklungen erwarten Sie für Q2 und darüber hinaus?
Die Markturbulenzen haben gezeigt, wie wichtig eine funktionierende, stabile Börse ist. Die Diskussionen über eine Schliessung der Börse verkennt die Wichtigkeit von offenen Kapitalmärkten zur Sicherung der globalen wirtschaftlichen Stabilität, speziell in Phasen von externen Schocks. Die Schweizer Börse investiert stetig in Innovationen, um ihren Teilnehmern die beste und effizienteste Handelsplattform sowie, neue Produkte und Services zu bieten.

Können Sie konkretisieren, was derzeit in der Pipeline ist?
Mit unserem im Juni geplanten Release werden wir das Handelsmodell für Strukturierte Produkte zum Nutzen der Emittenten wie auch der Anleger noch besser den aktuellen Marktbedingungen anpassen. Zusätzlich werden wir «Trading-At-Last» einführen, eine neue Handelsperiode für den Aktienhandel zum Schlusskurs im Central Limit Order Book nach der Schlussauktion. Gegen Ende des Jahres werden wir auch die ETF Handelsplattform weiterentwickeln, um insbesondere den Bedürfnissen der institutionellen Kunden entgegen zu kommen. Sie sehen, die Börse steht nie still, die Märkte wie auch die Kunden fordern uns immer wieder aufs Neue heraus um unsere Handelsplattform den aktuellen Anforderungen anzupassen. Gut so!

Herr Buck, vielen Dank für das Gespräch!