In den vergangenen fünf Jahren hat sich in der gesamten Branche ein tiefgreifender Wandel vollzogen. Insbesondere die Finanzinstitute bedienen sich jetzt intensiv der neuen Technologien, um den sich wandelnden Anforderungen und gestiegenen Erwartungen ihrer Kunden gerecht zu werden. Ein Beispiel dafür sind digitale Vermögenswerte. Da es für Anleger immer schwieriger wird, Erträge aus traditionellen Anlageklassen – Aktien und Anleihen – zu erzielen, wenden sie sich auf der Suche nach Renditen verstärkt neuen Anlagenklassen zu.
Digitale Vermögenswerte: Neue Instrumente, bessere Renditen?
Digitale Vermögenswerte sind schon seit längerem für Anleger attraktiv. Laut einer Studie von State Street aus dem Dezember 2019 hielten nur sechs Prozent der Befragten keine digitalen Vermögenswerte in ihren Anlageportfolios und hatten auch keine Pläne, diese im Jahr 2020 in ihr Portfolio zu nehmen. 69 % der grossen Institutionen, die von State Street befragt wurden, gaben an, ihre Digital-Asset-Allokation im Jahr 2020 erhöhen zu wollen. In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Diskussion über digitale Vermögenswerte jedoch drastisch verändert.
In der Vergangenheit befürworteten Banken und Infrastrukturanbieter nachdrücklich die Tokenisierung konventioneller Beteiligungspapiere. Mittlerweile jedoch gehen die Experten davon aus, dass die Tokenisierung in illiquiden Märkten wie Gewerbeimmobilien oder Private Equity wesentlich sinnvoller ist. Der Handel auf den traditionellen Aktienmärkten ist bereits recht effizient, so dass die Gründe für eine Digitalisierung oder Tokenisierung weniger ins Gewicht fallen.
Dies ist bei illiquiden Instrumenten nicht der Fall. Durch teilbare, kostengünstige Tokens können mehr Anleger – auch Privatanleger – mit illiquiden Vermögenswerten handeln, die ihnen zuvor nicht zugänglich waren. Neben der Demokratisierung von Investments könnte die Tokenisierung auch dazu beitragen, mehr Liquidität in illiquiden Märkten zu schaffen und gleichzeitig die Transparenz und Effizienz während des Lebenszyklus von Transaktionen deutlich zu verbessern.
Ist der Markt bereit?
Da das Interesse der Anleger an digitalen Vermögenswerten wächst, ist es unabdinglich, dass sich die Intermediäre – hauptsächlich Depotstellen und Marktinfrastrukturen – entsprechend weiterentwickeln. Dies setzt voraus, dass die Anbieter von Post-Trade-Dienstleistungen ihre Plattformen und Technologiearchitektur umfassend anpassen. Andernfalls setzen sie sich dem Risiko einer Disintermediation durch Fin-Tech-Unternehmen aus. Börsen, Zentralverwahrer (CSDs) und Depotstellen überprüfen in zunehmendem Masse Möglichkeiten, wie sie Dienstleistungen für digitale Vermögenswerte wie beispielsweise deren Verwahrung anbieten können.
Anbieter wie die SIX Digital Exchange (SDX) beteiligen sich aktiv an einer Reihe von Branchengremien, die sich für die Standardisierung einsetzen, um effektivere Innovationen zu fördern. Dazu gehört die InterWork Alliance (IWA), eine mit der Entwicklung von Standards für die Tokenisierung beauftragte Vereinigung, die zu ihren Mitgliedern auch führende Technologieunternehmen wie Microsoft zählt. Wenn vermehrt gut etablierte und regulierte Finanzinstitute Angebote für digitale Vermögenswerte einführen, werden auch erfahrene Anleger beginnen, ihren Bestand an digitalen Vermögenswerten entsprechend aufzustocken.
Obwohl die Dienstleister die potenziellen Geschäftschancen erkannt haben, die digitale Vermögenswerte mit sich bringen können, ist die Regulierungslage unübersichtlich. Märkte wie die Schweiz haben zwar eine unglaublich fortschrittliche Strategie für digitale Vermögenswerte gewählt, doch andere Länder sind hier weitaus vorsichtiger oder sogar ablehnend eingestellt. Dieser Mangel an regulatorischem Konsens – oder branchenweiten Standards in diesem Bereich – stellt ein erhebliches Hindernis dar, das es zu überwinden gilt. Wenn digitale Vermögenswerte eine grössere Akzeptanz erlangen sollen, müssen die Marktteilnehmer bei der Erarbeitung von Standards zusammenarbeiten und mit den Entscheidungsträgern die Entwicklung umfassender und homogenisierter Vorschriften vorantreiben.
CBDCs – Digitalisierung der Währungen für das 21. Jahrhundert
Digitale Währungen der Zentralbanken (Central Bank Digital Currencies oder CBDCs) sind, wie der Name schon sagt, eine elektronische Form des Zentralbankgeldes, die von Privatpersonen und Unternehmen für Zahlungen genutzt werden kann. Im Gegensatz zu einer Krypto-Währung ist eine CBDC an die Zentralbank gebunden, die sie ausgegeben hat. Die Entstehung der CBDCs fällt in eine Zeit, in der die physischen Barzahlungen rückläufig sind, eine Entwicklung, die durch COVID-19 beschleunigt wird. Ähnlich wie bei den digitalen Vermögenswerten verläuft das Tempo der Einführung von CBDCs auf den verschiedenen Märkten uneinheitlich. Die People’s Bank of China (PBOC) wird wohl die erste Zentralbank sein, die eine CBDC einführt, aber auch SDX arbeitet zusammen mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an einem CBDC-Projekt. In mehreren chinesischen Städten haben bereits Testläufe begonnen, und in Shenzhen soll eine Lotterie zur Verteilung von CBDCs im Wert von 1,5 Millionen Dollar veranstaltet werden. Da physische Barzahlungen immer seltener werden, könnten die CBDCs eine Lücke schliessen.
Eine digitale Zukunft
Die Digitalisierung, sei es durch Tokenisierung oder die Einführung von CBDCs, wird zu radikalen Veränderungen der Finanzdienstleistungen führen. Wenn die etablierten Unternehmen den «Share of Wallet» ihrer Kunden beibehalten wollen, müssen sie Strategien und Lösungen entwickeln, die den stark expandierenden digitalen Finanzmarkt bedienen können. Das ist leichter gesagt als getan.
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