5 Gründe, warum Sie Klimadaten brauchen – Regulierung ist nur einer davon

5 Gründe, warum Sie Klimadaten brauchen – Regulierung ist nur einer davon

Im Zuge des Pariser Abkommens wandeln sich normative Rahmenwerke in verbindliche Regulierungen. Die Finanzbranche muss sich auf eine belastbare Datengrundlage verlassen können, um diesen entsprechen zu können. Das ist aber noch nicht alles. Lesen Sie, wo Portfolio- und Asset-Manager ebenfalls auf zuverlässige und konsistente Klimadaten angewiesen sind.

Um die globale Erwärmung auf höchstens 1,5 °C zu begrenzen – wie im Pariser Abkommen gefordert –, müssen bis 2030 die Emissionen um 45 % gesenkt und bis 2050 netto null erreicht werden. Dafür braucht es auch die Finanzbranche. Mehr noch: Sie spielt eine entscheidende Rolle beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Nicht zuletzt Portfolio- und Asset-Manager müssen sich ihrer wichtigen Rolle bewusst werden und ihren Umgang mit Klimarisiken definieren und steuern. 

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Was ist netto null?

«Netto null» bedeutet, dass für jede produzierte Tonne an Treibhausgasemissionen die entsprechende Menge aus der Atmosphäre entfernt wird. Das würde die Auswirkungen auf das Klima auf netto null senken.

In der Praxis bedeutet das Erreichen von netto null eine Kombination aus Massnahmen zur Verringerung bestehender Emissionen und solchen zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Zu ersteren gehören beispielsweise die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen oder die Verbesserung der Energieeffizienz, zu zweiteren Methoden wie Aufforstung oder Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung.

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Regulierung als treibende Kraft

Der Druck von Aktionärinnen und Aktionären, Investorinnen und Investoren und letztlich der Wille der Aufsichtsbehörden hat in den letzten Jahren zu einer regelrechten Flut von neuen Vorschriften geführt. Gemäss ESG Book gab es seit 2011 weltweit mehr als 1255 regulatorische Eingriffe, die das Thema ESG betreffen. In der Dekade davor waren es «nur» 493. Eines der wesentlichen Rahmenwerke ist die vom Financial Stability Board eingerichtete Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD).

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Was ist TCFD?

Die Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD), die das Financial Stability Board 2017 zunächst als freiwilligen Leitfaden eingeführt hatte, entwickelte sich inzwischen zum führenden Rahmenwerk im Umgang mit dem Klimawandel und für die Offenlegung finanzieller Auswirkungen von physischen Klimarisiken und von Übergangsrisiken. Im Vereinigten Königreich ist das Reporting nach TCFD bereits Pflicht für bestimmte börsennotierte Unternehmen, öffentliche Pensionskassen und Finanzinstitute – und bis 2025 für alle Unternehmen. In der Schweiz wurde TCFD als verbindlicher Rahmen für grosse Unternehmen ab Januar 2024 bestätigt.

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Was hat TCFD mit CSRD zu tun?

Auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stimmt in grossen Teilen mit TCFD überein. Über die CSRD und die EU-Taxonomie werden in der EU – abhängig von der Unternehmensgrösse – weitreichende Analysen zu Klimarisiken verbindlich.

Was ist der Unterschied zwischen TCFD und SFDR?

Die CSRD ist komplementär zur Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), weil sie einen Teil der Informationen liefert, die für das entsprechende Investor-Reporting benötigt werden. Vergleichbar mit TCFD verlangt die SFDR von Portfolio- und Asset-Managern, dass sie sowohl auf Unternehmens- als auch auf Produktebene Angaben machen können. Anders als bei TCFD beschränken sich diese Angaben aber nicht auf Klimarisiken, sondern umfassen alle Aspekte von ESG.

Compliance sicherstellen mit Klimadaten

Wenn ehemals normative Rahmenwerke wie TCFD bindend werden und in andere Regulierungen einfliessen, liegt die erste praktische Anwendung von Klimadaten für Finanzinstitute auf der Hand:

 

1. Compliance mit Regulierungen

Wie das Beispiel Vereinigtes Königreich zeigt, gibt es Bestrebungen, Regulierungen weitgehend mit TCFD abzugleichen, um eine Fragmentierung zu vermeiden. Trotzdem bleibt die Komplexität hoch, wenn es darum geht, Wege und Mittel – mit anderen Worten Daten – zu finden, die die Compliance sicherstellen. Freiwillige nationale Initiativen wie die Swiss Climate Scores versuchen ebenfalls, Finanzinstitute dabei zu unterstützen, Klimarisiken im Einklang mit bestehenden und kommenden Regulierungen zu quantifizieren und offenzulegen.

Klimadaten: Anwendungen, die über die regulatorischen Anforderungen hinausgehen

Längst sind Portfolio- und Asset-Manager aber gezwungen, ein breites Spektrum an Messgrössen zu Klimarisiken in fast alle ihre Prozesse miteinzubeziehen: bei der Investitionsentscheidung und der Portfoliokonstruktion genauso wie bei der Risikoüberwachung, der Renditeoptimierung oder bei Impact-Überlegungen.

Klimadaten werden auf Portfolioebene also nicht nur dafür benötigt, regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Hier sind vier weitere Anwendungsfälle – die ersten zwei sind vergangenheitsorientiert (backward-looking), die zweiten zwei zukunftsorientiert (forward-looking):

2. Screening und Footprinting

Um ein Portfolio im Hinblick auf Klimarisiken zu analysieren, ist es entscheidend, Zugang zu relevanten Informationen zu erhalten. Diese umfassen unter anderem Daten zu den Treibhausgasemissionen, zum Energieverbrauch oder zu den Klimazielen und -strategien der in einem Portfolio enthaltenen Unternehmen. Mit einem Screening kann eine Bewertung hinsichtlich eines «Emissionsfussabdrucks» verbunden sein oder eine Untersuchung bezüglich physischer Risiken (z. B. Naturkatastrophen) und Übergangsrisiken (z. B. regulatorische Änderungen), die mit dem Klimawandel verbunden sind.

3. Identifikation «brauner» Investitionen

Einige Branchen sind naturgemäss mit höheren Klimarisiken verbunden wie beispielsweise die Energiebranche oder die chemische Industrie. Entsprechende Investitionen könnten daher «braun» sein. Bewertungen von unabhängigen Organisationen wie dem Carbon Disclosure Project oder MSCI erlauben zum Beispiel die Identifikation von Unternehmen, die mehr als 5 % ihrer Einnahmen aus Geschäftstätigkeiten mit Kohle oder anderen fossilen Brennstoffen erzielen. Das kann etwa relevant sein für die Erfüllung von Label-Anforderungen.

4. Prüfung auf Klimaverträglichkeit (Climate Alignment)

Die Prüfung auf Klimaverträglichkeit zielt darauf ab, Investitionen und Portfolios so zu gestalten, dass sie die Klimaziele des Pariser Abkommens unterstützen. Dafür nötig sind zum Beispiel Informationen über die Anstrengungen zur Begrenzung des CO2-Ausstosses, die Förderung erneuerbarer Energien oder über Energieeffizienzmassnahmen. Die kontinuierliche Prüfung auf Klimaverträglichkeit und allfällige Anpassungen stellen sicher, dass die Investitionen im Einklang mit den Klimazielen bleiben und sich die Portfolios entsprechend entwickeln. Das heisst auch, Portfolios im Hinblick auf zukünftige Wertverluste in Abhängigkeit von Klimarisiken zu beurteilen (Climate Value-at-Risk) und mit ihnen innerhalb gewisser Temperaturmassstäbe zu verbleiben (Implied Temperature Rise).

5. Szenario-Analyse

Die Szenario-Analyse ist ein wichtiges und nützliches Instrument, um geschäftliche Risiken – und auch Chancen – im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu quantifizieren, aber auch um sie für Investierende verständlich zu machen. Szenarien sind dabei keine Prognosen, sondern hypothetische Konstrukte, die auf einer rahmengebenden Datengrundlage basieren. Die TCFD meint dazu: «In einer Welt der Unsicherheit sollen Szenarien Alternativen ausloten, die das Business-as-usual infrage stellen.»

Klimadaten im Zentrum

Egal, ob Offenlegung und Compliance, Screening und Analyse oder Klimaverträglichkeitsberechnungen und Szenarien. In jedem Fall braucht es eine zuverlässige und konsistente Datengrundlage. Aber gerade bei Klimadaten ist der Ursprung nicht immer kristallklar. Es können beispielsweise Datenlücken oder Verzerrungen vorliegen, da einige Unternehmen Informationen preisgeben, andere wiederum nicht.

Ausserdem herrscht bei Klimadaten nur eine begrenzte Standardisierung. Die schiere Menge an Industriestandards, Rahmenwerken und Vorschriften ist nicht eben förderlich für eine Harmonisierung.