DeFi, DApps und dergleichen: Wie das Finanzwesen dezentral wird

DeFi, DApps und dergleichen: Wie das Finanzwesen dezentral wird

Jetzt, wo Blockchain im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen zu sein scheint, machen neue Begriffe wie DeFi und DApps die Runde. Lesen Sie, was sie bedeuten und wie sich die Finanzwelt dadurch verändert.

Immer häufiger hört man in Finanzkreisen, wie jemand verheissungsvoll das Wort DeFi wispert. Das Kürzel steht für den englischen Begriff Decentralized Finance und verheissungsvoll klingt er, weil DeFi vielerorts als Revolution gefeiert und als valabler Gegenentwurf zum klassischen Finanzmarkt gesehen wird.

Was bedeutet DeFi?

Traditionelle Finanzsysteme arbeiten mit einem zentralisierten System, bei dem die Datenbank bei einer Transaktion von Intermediären wie einer Bank, einer Börse oder einem Zahlungsabwickler verwaltet wird.

Das Wort dezentral in DeFi hingegen bedeutet, dass jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer auf beiden Seiten einer Transaktion direkt vom eigenen Computer aus mit den Computern anderer interagieren kann. Intermediäre braucht es nicht.

Die Bezeichnung DeFi wurde vom Entwickler der Ethereum Blockchain im Jahr 2018 auch deshalb bewusst gewählt, weil es ziemlich nach dem Verb «defy» klingt, was so viel heisst wie «trotzen, sich widersetzen».

Was sind DApps?

Im DeFi bilden neue Finanzanwendungen ein völlig neuartiges, eben dezentral organisiertes, Finanzökosystem. Sie gehören zur Gruppe der Decentralized Applications – kurz DApps. Im Prinzip replizieren sie alle Anwendungen, die bereits aus dem klassischen zentralisierten Finanzmarkt bekannt sind: Neben dem Handel mit digitalen Vermögenswerten geht es um Sparen, Anlegen, Leihen und Verleihen.

Nur geschieht das nicht mehr mithilfe einer zwischengeschalteten Bank oder einem anderen Intermediär, sondern über eine Dapp direkt zwischen den Nutzerinnen und Nutzern. Das klassisches Zinsgeschäft heisst dann «Lending» oder «Borrowing». DApps sind für jede und jeden frei zugänglich.

Wer darf am DeFi teilnehmen?

Teilnehmende bleiben im DeFi anonym, niemand muss einen Ausweis vorzeigen oder sein Einkommen oder die Kreditwürdigkeit nachweisen, wie das im traditionellen Finanzwesen der Fall ist. Im DeFi kann jede Person von überall auf der Welt unabhängig von Nationalität, Alter oder Vermögen teilhaben und sich auf einer Applikation ein Wallet einrichten und Vermögenswerte handeln beziehungsweise transferieren.

Gerade für die Bevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen das Finanzwesen nicht gut ausgebaut oder korrupt ist, kann DeFi eine grosse Chance sein, insbesondere für Gründerinnen und Unternehmer, damit sie an Kapital gelangen oder investieren können.

 

5 Merkmale des DeFi

  1. Öffentlich: Die Anwendungen basieren auf öffentlichen Blockchains (Public Blockchains), die für alle nutzbar sind. Jede Transaktion kann von jeder Person eingesehen werden.
  2. Frei zugänglich: Dieses System ist frei zugänglich. Es gibt keine Identitätskontrollen oder Kontrollen durch eine Bank oder andere Instanz. Es ist auch kein Mindestkapital erforderlich oder sonst eine denkbare und aus der klassischen Finanzwelt bekannte Restriktion. Das System ist dadurch sehr inklusiv.
  3. Unveränderlich: Es braucht keine Aufsichts- oder Kontrollorgane und keine hierarchische Struktur. Finanztransaktionen, die auf einer Blockchain durchgeführt werden, können nicht verändert oder manipuliert werden.
  4. Interoperabel: Die verschiedenen Anwendungen im DeFi verstehen sich alle untereinander und können aufeinander aufbauen – und das weltweit.
  5. Kombinierbar: Alle Anwendungen sind beliebig neu zusammensetzbar. Dieses Prinzip wird auch als «Money Lego» bezeichnet, womit auf das altbekannte Lego-Spiel Bezug genommen wird, bei dem die einzelnen bunten Bausteine ja auch aufeinander aufgebaut werden können.

Quelle: «Kryptowährungen und der Dezentrale Finanzmarkt», Otter/Willmeroth, BoD, Norderstedt 2022

Wie sicher ist das DeFi?

Die Sicherheit und das Vertrauen in die Transaktionen werden durch die Blockchain und die sogenannten Smart Contracts garantiert. Dabei handelt es sich um programmierte Verträge, die dafür sorgen, dass eine Transaktion nur zustande kommt, wenn alle Bedingungen erfüllt sind. Und einmal ausgeführt, ist jede Transaktion unveränderlich und nicht manipulierbar. So viel zur technischen Sicherheit.

Durch den Wegfall der Banken und anderer Intermediäre ist im DeFi letztlich aber keine Instanz mehr vorhanden, die die Investorinnen und Investoren bei der Geldanlage berät oder die Transaktionen für sie durchführt. «Do Your Own Research» lautet daher der wohl wichtigste Grundsatz in der Welt des DeFi.

Ist das DeFi reguliert?

Umso wichtiger wäre eine Regulierung des DeFi. Diese wirft derzeit aber noch viele Fragen auf. In der aktuellen Debatte spielen neben dem Schutz der Investorinnen und Investoren auch staatliche Interessen in Bezug auf die Gewinnbesteuerung und auf die Geldwäsche eine grosse Rolle. Die klassische Finanzmarktregulierung basiert auf der Beaufsichtigung der Finanzintermediäre, also der Banken, Vermögensverwalter und Handelsplätze. Da diese im DeFi aber schlicht nicht mehr vorhanden sind, ist fraglich, wo eine entsprechende Regulierung überhaupt ansetzen sollte.

«Alle Regulierungsbehörden haben das Thema auf dem Radar», hat Professor Fabian Schär, Leiter des Center for Innovative Finance an der Universität Basel, gegenüber den Medien der NZZ-Gruppe erklärt. Er ist der Meinung, dass «bei echtem DeFi» keine zusätzliche Regulierung erforderlich ist, weil dort dank der Smart Contracts nicht betrogen werden kann. Bei allen anderen Anwendungen, die nur so tun, als seien sie dezentral, müsse man nur so lange graben, bis Abhängigkeiten von einer Zentrale zutage treten. Dann greife die normale Regulierung. Langfristig sieht er daher nur zwei Wege: Finanzakteure im DeFi sind entweder komplett dezentral oder komplett reguliert aufgebaut.