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Der Plan klingt simpel: Mit einem bescheidenen Budget von 100 Schweizer Franken ein NFT kaufen. Und zwar nicht irgendeines, sondern eines, das ich irgendwann auch teurer verkaufen kann.
Zwar bin ich nicht ganz neu in der Welt der Kryptowährungen – ich habe einen kleinen Teil meines Vermögens darin investiert und verfolge damit eine Buy-and-hold-Strategie –, aber von NFTs habe ich offen gesagt keine Ahnung. Also beginnt mein Experiment mit einer Recherche. Und dabei stosse ich auf sehr interessante, aber auch sehr verrückte Fakten.
Absurde Summen für NFTs
Stellen Sie sich vor, Sie könnten 70 Millionen US-Dollar ausgeben. Damit könnten Sie so einiges anstellen. Beispielsweise könnten Sie sich ein Fünf-Sterne-Resort am Luganersee mit 83 Schlafzimmern kaufen, oder sechs Privatinseln auf Dubai, oder 280 Lamborghini Huracán. Oder aber: Sie kaufen sich im Internet ein digitales Kunstwerk, ein NFT. Das gehört dann zwar Ihnen, aber trotzdem kann es jeder andere Internet-User sehen, herunterladen und versenden.
Das klingt komplett absurd und das ist es irgendwie auch. Aber es ist tatsächlich real. Im März 2021 wurde das digitale Kunstwerk «Everydays: The First 5000 Days» von einem Künstler mit dem Pseudonym Beeple für sage und schreibe 69,3 Millionen US-Dollar verkauft. Es ist das bislang teuerste NFT, das je den Besitzer gewechselt hat.
Weitere absurde Beispiele gefällig?
- Jack Dorsey, Gründer und Ex-CEO von Twitter, hat seinen ersten Tweet als NFT verkauft, für 2,9 Millionen US-Dollar.
- Das originale Nyan-Cat-Meme (ein GIF einer fliegenden Katze) wechselte für 600 000 US-Dollar den Besitzer.
- Cryptopunk #7523 (ein Porträt eines verpixelten Gesichts mit Mütze) wurde im Juni 2021 für 11,7 Millionen US-Dollar verkauft.
Was ist ein NFT?
Aber was sind NFTs überhaupt? Und warum zahlen Leute dafür so viel Geld? NFT steht für Non Fungible Token, also einen nicht austauschbaren digitalen Vermögenswert. NFTs basieren auf der Blockchain-Technologie und sind Token für einzigartige digitale Objekte, beispielsweise Gegenstände aus Videospielen, Musik, Videos oder – wie die obigen Beispiele – digitale Kunstwerke.
Die wichtigste Eigenschaft eines NFT ist seine Einzigartigkeit. Kleines Beispiel: Eine klassische Banknote ist austauschbar, ich kann sie einfach durch eine andere Note mit demselben Wert ersetzen. Die «Mona Lisa» hingegen ist nicht austauschbar. Auch eine perfekte Kopie des Gemäldes wird nie so viel wert sein wie die «Mona Lisa», die im Louvre hängt. Weil es eben nicht die echte ist. Und genau darum geht es bei NFTs. Wenn ich also ein NFT kaufe, dann bin ich als alleiniger Besitzer in der Blockchain hinterlegt. Andere Internet-User können mein NFT zwar sehen, herunterladen und versenden – aber ihnen gehört nicht das Original. Gar nicht so anders als bei der «Mona Lisa» also. Auch diese kann ich mir, zum Beispiel als Kunstdruck, ins Wohnzimmer hängen. Ich besitze dann zwar ein Bild der «Mona Lisa», aber eben nicht die «Mona Lisa».
Wo kaufe ich ein NFT?
Genug der Theorie, ich will mir jetzt ein NFT kaufen. Auf Youtube erfahre ich, dass man NFTs am einfachsten über einen Online-Marktplatz namens Opensea kauft – quasi ein Ebay für NFTs. Opensea läuft auf einer Blockchain, in diesem Fall Ethereum. Das bedeutet, dass ich mein NFT statt mit herkömmlichem Geld mit einer Kryptowährung bezahlen muss. Ich wähle – bei Ethereum naheliegend – die Kryptowährung Ether.
Wie erhalte ich Kryptowährungen?
Um mit Ether bezahlen zu können, muss ich mir erst eine Wallet einrichten, so etwas wie ein digitales Portemonnaie für Kryptowährungen. Zu den beliebtesten Wallets gehören zum Beispiel Coinbase oder Metamask, auf das meine Wahl fällt. Meine Ether, die ich per Kreditkarte erstanden habe, sind darin sicher verwahrt. Nur ich kenne den Schlüssel aus gut einem Dutzend zufällig generierter Wörter. Das soll auch so bleiben. Darum bewahre ich den Schlüssel auch nicht digital auf, sondern verwahre ihn handschriftlich verfasst an einem geheimen Ort.
Ich halte nun 0,0238 Ether. Gezahlt habe ich dafür 100 Schweizer Franken.
Yannick Fischer
Seit Oktober 2021 absolviert Yannick das SIX Graduate Program in Corporate Communications. Während 18 Monaten wird er in verschiedenen Abteilungen von Marketing & Communications arbeiten – inklusive eines dreimonatigen Aufenthalts an einem Auslandstandort. Yannick ist 24 und hat einen Abschluss in Journalismus und Kommunikation der ZHAW.
Welches NFT soll ich kaufen?
Aber welches NFT kaufe ich jetzt? Auf Opensea sehe ich eine grimmige Katze mit Gasmaske und Wasserpistole, ein Bild von 50 Cent im Stil von Rembrandt, eine Schnecke mit regenbogenfarbigen Augen, Tentakeln und einer Nikolausmütze, einen gelben Hund mit Schnauzbart und einer Zigarre im Mund – und eine Ziege, die aussieht wie Elvis Presley. Und ich frage mich einerseits ernsthaft, was ich hier gerade mache, finde das Ganze anderseits aber auch irgendwie witzig. Aber wie finde ich unter den Tausenden von NFTs ausgerechnet das, mit dem ich aus meinen 100 Schweizer Franken 10’000 Schweizer Franken mache?
Also wieder zurück zu Youtube. Glücklicherweise gibt es Tausende von Videos darüber, wie man mit NFTs garantiert ganz einfach – und vor allem superschnell – zum Multimillionär wird. Während ich auf das erstbeste Video klicke, überlege ich mir im Hinterkopf schon mal, ob ich mir meinen Lamborghini Aventador nächste Woche in Blu Tawaret oder lieber in Grigio Nimbus bestellen soll.
Neben Videos mit so reisserischen Titeln wie «Become a Millionaire with NFTs in 3 Easy Steps» gibt es aber durchaus seriöse Anleitungen. In den meisten wird mir zu NFTs geraten, die zu einer Kollektion gehören. Diese transferieren das Prinzip klassischer Sammelkarten – denken Sie an Pokémon oder Panini-Fussball-Sticker – ins digitale Zeitalter.
Was sind NFT-Kollektionen?
Meist sind die NFTs innerhalb einer Kollektion auf eine gewisse Stückzahl limitiert und sehen alle ähnlich aus. Ich stosse bei meiner Suche beispielsweise auf eine Kollektion von NFTs, die nur Bilder von Hunden enthält – alle mit unterschiedlichen Farben, Gesichtsausdrücken, Hüten, Frisuren, Ketten und Ähnlichem. Die Kombination dieser Merkmale bestimmt letztlich die Seltenheit eines NFT. In meinem Beispiel mit den Hunden gibt es 1251 NFTs mit grünem Hintergrund, aber nur 24 mit einem sogenannten Virtual-Reality-Hintergrund. Letztere sind seltener – und dementsprechend auch teurer.
Die Kollektion nennt sich übrigens «The Doge Pound» angelehnt an das bekannte Doge-Meme, aus dem auch der Doge-Coin entstanden ist, und an die von Snoop Dogg gegründete Hip-Hop-Gruppe «Tha Dogg Pound». Witzig, oder? Weniger witzig finde ich, dass der Preis für den billigsten Hund bei 2,95 Ether liegt. Das entspricht ungefähr 10’000 Schweizer Franken und sprengt damit mein Budget.
Welche NFTs haben Potenzial?
Ich lasse mich davon aber nicht beirren und suche weiter. Innerhalb einer Kollektion ist die Community sehr wichtig. Also die Leute, die bereits ein NFT dieser Kollektion besitzen. Um mehr über die Community zu erfahren, sollte man sich auf Discord und Twitter umschauen. Dabei stellen sich Fragen wie: Wie gross ist die Community? Wie ist die Stimmung innerhalb der Community? Gibt es Influencer oder sonstige Prominente, die für das Projekt werben oder selbst involviert sind? Grundsätzlich geht es darum, einzuschätzen, wie beliebt die Kollektion ist und wie viel Potenzial sie hat.
Die beliebtesten NFTs sind oftmals nicht einfach nur Bilder, die man besitzen kann, sondern sie bieten auch einen echten Mehrwert. Nehmen wir als Beispiel den «Bored Ape Yacht Club», eine der bekanntesten und auch teuersten Kollektionen. Der aktuell billigste Affe liegt bei einem Preis von rund 230’000 Schweizer Franken. Als Besitzerin oder Besitzer darf ich das Bild nicht nur auf meinen Social-Media-Profilen nutzen, sondern erhalte weitere NFTs geschenkt und werde an Partys auf Yachten und an Konzerte mit internationalen Stars eingeladen. Bald wird es ein exklusives Mobile Game geben, das nur für zehn Tage spielbar ist. Mit seinem Affen lassen sich dann – so heisst es – extrem lukrative Preise gewinnen.
Mein Beitritt zur Rogue Society
Ein NFT für unter 100 Schweizer Franken zu finden, das mir einen ähnlichen Mehrwert bietet, scheint jedoch aussichtslos. Habe ich den Zeitpunkt bereits verpasst? Ich fange an, ausserhalb der Top-100-Kollektionen zu suchen und stosse auf die Rogue Society, eine Kollektion von 16’000 Robotern. Es gibt bereits rund 7000 verschiedene Wallets, die mindestens einen der Roboter besitzen, was für eine NFT-Kollektion sehr viel ist, und der Rogue Society Bot #15281 wäre zu haben für umgerechnet 80 Schweizer Franken.
Ich schaue mir als Erstes die Twitter-Seite des Projekts an. Sie hat 42’000 Follower und ihre Beiträge werden fleissig kommentiert und geteilt. Ich wittere Potenzial. Auch die Website sieht vielversprechend aus. Sie ist professionell aufgesetzt und klärt mich über den Mehrwert eines Roboters auf. So sollen die Besitzerinnen und Besitzer bald ein Gratis-NFT erhalten. Auch ist eine Augmented Reality Mobile App für die Roboter geplant. Sogar eine Animationsserie soll entstehen. Ich schlage zu.
Was sind Gas Fees?
Mich überkommt ein regelrechtes Glücksgefühl, endlich werde ich mein erstes NFT besitzen und endlich hat meine Suche ein Ende. Die Ernüchterung kommt nach dem Klick auf «Buy now»: Ich kann mir auch den Rogue Society Bot nicht leisten.
Haben Sie schon mal etwas von Gas Fees gehört? Gas Fees sind die Gebühren, die ich zahlen muss, damit meine Transaktion auf der Ethereum-Blockchain verarbeitet wird. Sie muss von einer Vielzahl von Rechnern validiert werden – das sogenannte Proof of Work. Das kostet Geld. Zu viel Geld für mich. Insgesamt müsste ich 150 Schweizer Franken Gebühren zahlen, um mir den Rogue Society Bot für 80 Schweizer Franken zu kaufen. Macht total 230 Schweizer Franken.
Wieder etwas gelernt: Gas Fees orientieren sich nicht am Kaufpreis des NFT, sondern an der Auslastung der jeweiligen Blockchain und der Komplexität der Transaktion. Bei Ethereum lagen die Gebühren für einen NFT-Kauf in den letzten zwei Monaten nur ganz selten unter 100 Schweizer Franken wie meine – leider erst nachträgliche – Recherche zeigt.
Was ist Solana?
Um auf sinkende Gebühren bei Ethereum zu hoffen, bin ich zu ungeduldig. Aber aus meiner Vorrecherche weiss ich, dass es Alternativen gibt. Denen habe ich bislang keine grosse Beachtung geschenkt. Das muss ich nun aber. Ich wechsle auf Solana, eine relativ neue Blockchain, die dank eines anderen Validierungsalgorithmus günstiger sein soll. Statt Proof of Work wie bei Ethereum kommt Proof of Stake zur Anwendung. Für Proof of Stake ist viel weniger Rechenleistung nötig. Die Kosten – und nebenbei erwähnt auch der Energieverbrauch – sinken drastisch. Im Schnitt kostet eine Solana-Transaktion 0,00025 US-Dollar, also so gut wie nichts. Der NFT-Markt auf Solana ist im Moment zwar noch klein, dafür sind die NFTs auch günstiger zu haben.
Neue Blockchain, neues Glück. Oder vielmehr: neues Unglück. Mit meiner Metamask-Wallet, die ich für meine Ether eröffnet habe, kann ich keine Solana Token halten. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Drüben bei Youtube raten sie mir zu Phantom. Die Wallet ist genauso schnell eröffnet wie bei Metamask. Jetzt muss ich einfach noch meine 100 Schweizer Franken in Ether an meine neue Wallet schicken, um dort Solana zu kaufen.
Was sind Kryptowährungsbörsen und -broker?
Sie ahnen es schon, «einfach» ist in dieser Geschichte das Wenigste. Natürlich geht das nicht. Dann lasse ich mir halt mein Ether-Guthaben erst mal wieder in Schweizer Franken auszahlen. Aber, welch Überraschung, auch das geht nicht so einfach. Zu meinen Schweizer Franken komme ich nur über eine Kryptowährungsbörse oder einen Kryptowährungsbroker. Der Unterschied? Während an einer Börse der Markt spielt, setzt der Broker Kauf- und Verkaufspreis selbst fest.
Der Weg zurück zu Schweizer Franken stellt sich nicht nur als weiterer Umweg heraus – ich erspare Ihnen die Details –, sondern ist auch nicht ganz günstig. Am Ende werden mir vom Kryptowährungsbroker noch 61 Schweizer Franken ausbezahlt. Diese könnte ich jetzt per Kreditkarte in Form von Solana in meine Phantom-Wallet einzahlen. Die Gebühr dafür ist mir mit 4,5% aber viel zu teuer. Als kostengünstigen Workaround empfiehlt mir «Youtube» die Kryptowährungsbörse FTX.
Letztlich kommen 0,3 Solana in meiner Phantom-Wallet an beziehungsweise werden ankommen. FTX teilt mir nämlich mit, dass ich jetzt erst mal eine Woche warten müsse, bis ich das Geld, das ich eingezahlt habe, wieder transferieren kann. Die Einzahlung per Kreditkarte müsse zuerst verarbeitet werden. Wieso das eine ganze Woche dauert? Keine Ahnung.
Aber ganz ehrlich, irgendwie bin ich ganz froh über die erzwungene Pause. Dieses ganze Vorhaben hat meine Nerven arg strapaziert. Ich habe noch immer kein NFT in meinem Besitz, aber den Preis für meine Anfängerfehler gezahlt. Von den ursprünglich investierten 100 Schweizer Franken sind bereits 39 für Gebühren draufgegangen. Ob ich mit meinem verbleibenden Guthaben doch noch zu einem NFT komme, lesen Sie nächste Woche in einem neuen Blogpost.
Bildquelle: mundissima/shutterstock.com
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