Greenwashing verstehen: Wie erkenne ich irreführende Aussagen zu Nachhaltigkeit?

Greenwashing verstehen: Wie erkenne ich irreführende Aussagen zu Nachhaltigkeit?

Die Definition nachhaltiger Geschäftspraktiken wird durch die öffentliche Meinung, den Gesetzgeber und die Regulierungsbehörden immer präziser gefasst. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für Greenwashing. Erfahren Sie, wie viele Unternehmen Gefahr laufen, ihre Produkte und Dienstleistungen umweltfreundlicher erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind.

Viele Unternehmen verwenden im Marketing und in der Kommunikation immer noch Aussagen, die zu allgemein, zu weit gefasst, irreführend oder schlicht unwahr sind. Auch viele Nachhaltigkeitslabels halten einer genaueren Prüfung nicht stand. Diese Praxis wird als Greenwashing bezeichnet.

Was ist Greenwashing?

Greenwashing in Marketing und Werbung sind Behauptungen in Bezug auf die Umweltauswirkungen, die unwahr, trügerisch und irreführend sind und daher als unlauter angesehen werden können. Solche Behauptungen enthalten in der Regel Aussagen zu positiven oder weniger schädlichen Umweltauswirkungen oder es wird beteuert, es lägen gar keine negativen Auswirkungen vor. Das können klimabezogene Behauptungen sein oder solche zur Kreislaufwirtschaft, zum Beispiel auf die Wiederverwertbarkeit von Materialien bezogen.

Häufig werden Begriffe wie «klimaneutral», «klimapositiv», «recycelbar», «grün» oder einfach «nachhaltig» verwendet. Solche Green Claims finden sich bei Unternehmen, Produkten oder Dienstleistungen in jedem Bereich unseres Lebens, bei Konsumgütern und Dienstleistungen ebenso wie bei Finanzprodukten und Anlagevorschlägen. Wenn ein Green Claim nicht geprüft und begründet werden kann, wird das als Greenwashing bezeichnet.

Rezyklierbarkeit, ein Evergreen des Greenwashings

Einige Produkte, von denen in der Werbung behauptet wurde, dass sie aus Recyclingmaterial hergestellt seien, hatten oft nur einen Recyclinganteil von 60 oder 70 %. Deshalb mussten viele Werbeaussagen zurückgenommen werden. Heute gibt es daher immer mehr spezifische Angaben wie «aus XY % Recyclingmaterial». Auf der anderen Seite hat die Recyclingfähigkeit von Produkten auch eine Debatte ausgelöst: Viele Produkte, die als «wiederverwertbar» beworben werden, sind nicht vollständig rezyklierbar oder erfordern energie- beziehungsweise chemieintensive Prozesse, um rezykliert werden zu können. 

Und was ist mit Pinkwashing, Rainbow-Washing oder Bluewashing?

Neben dem Greenwashing gibt es auch irreführende Kommunikationspraktiken in Bezug auf soziale Auswirkungen. Pinkwashing wird als Oberbegriff für Werbung verwendet, in der sich Unternehmen zur Unterstützung von Frauen, LGBTQIA+-Gemeinschaften und Diversity-Bewegungen verpflichten, obwohl dies in der Realität nicht der Fall ist. In Bezug auf die LGBTQIA+-Diversity-Bewegungen kam auch der Begriff Rainbow-Washing auf. Eine neue Entwicklung ist, dass falsche oder irreführende Behauptungen, die auf gesellschaftlichen Aspekten beruhen, auch als Bluewashing bezeichnet werden. Insbesondere, wenn sie im Zusammenhang mit den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen stehen. Blau (blue) bezieht sich dabei auf das Blau der UN-Flagge.

Warum ist Greenwashing problematisch?

Laut einer Studie der Europäischen Union enthalten mehr als die Hälfte aller grünen Behauptungen vage, irreführende oder unbegründete Informationen, und in etwa 40 % der Fälle liegen keine unterstützenden Informationen und Nachweise vor. Bei Nachhaltigkeitslabels- und grünen Energielabels ist das Mass an Transparenz sehr unterschiedlich, wobei etwa die Hälfte aller grünen Labels nur schwache oder gar keine Nachweise bietet. Diese Situation untergräbt zum einen das Vertrauen von Konsumentinnen und Konsumenten wie auch von Investierenden an den Finanzmärkten, wenn es um Finanzprodukte geht. Andererseits führt es zu Problemen im Risikomanagement und bei der Compliance für Unternehmen, die diese Labels verwenden. Daher ist es wichtig, dass sich Unternehmen, Regulierungsbehörden sowie Konsumentinnen und Konsumenten engagieren und sich auf ein zuverlässiges System mit vertrauenswürdigen Rahmenbedingungen zubewegen.

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6 Fragen zur Erkennung von Greenwashing

Die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (Competition and Markets Authority, CMA) hat den Green Claims Code entwickelt, der sechs wichtige Punkte enthält, um zu prüfen, ob eine Umweltaussage wirklich fundiert ist. Er bietet eine gute Orientierung für Marketing- und Kommunikationsfachleute sowie für Konsumentinnen und Konsumenten. Die Fragen können auch dazu dienen, Finanzprodukte zu beurteilen, die behaupten, sich an ESG-Faktoren zu orientieren.

  1. Sind die Behauptungen wahrheitsgemäss und genau?
  2. Sind die Behauptungen klar und eindeutig?
  3. Werden in den Behauptungen wichtige Informationen ausgelassen oder verschwiegen?
  4. Werden nur faire und sinnvolle Vergleiche angestellt?
  5. Sind die Behauptungen fundiert?
  6. Berücksichtigen sie den gesamten Lebenszyklus eines Produkts?
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Warum verwenden Unternehmen Green Claims im Marketing?

Viele Unternehmen haben gute Gründe zu behaupten, dass ihr Geschäft, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung den Wandel der Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit unterstützen, und sie sind in der Lage, Beweise für ein grünes Marketing zu liefern. Unternehmen, die zum Beispiel einen glaubwürdigen, wissenschaftlich belegbaren Weg zu Netto-Null-Emissionen eingeschlagen haben, begehen kein Greenwashing. Sie können ihr Vorgehen legitim kommunizieren. Die Schwierigkeit besteht darin, die wahren und fundierten Behauptungen von den unbegründeten oder irreführenden zu unterscheiden.

Was ist ein belegbarer Green Claim?

Belegbar, fundiert oder substanziiert bedeutet, dass Behauptungen über Umweltauswirkungen im Rahmen der Klimawissenschaft nachgewiesen werden können. Der wissenschaftliche Konsens in der Klimawissenschaft wird international entwickelt und vom Gremium der Vereinten Nationen zur Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel, dem Intergovernmental Panel on Climate Change, gebündelt. Das Treibhausgasprotokoll schafft einen umfassenden, weltweit standardisierten Rahmen für die Messung und das Management von Treibhausgasemissionen aus dem privaten sowie öffentlichen Sektor und aus Wertschöpfungsketten. Auch Massnahmen zur Emissionsminderung sind im Treibhausgasprotokoll erfasst. Unternehmen, die ihre Emissionen messen und verringern wollen, verlassen sich auf Initiativen und Dienstleistungsunternehmen, die professionelle Lösungen dafür anbieten. SIX arbeitet zum Beispiel mit der Science Based Targets Initiative (SBTi) zusammen. SBTi ist eine Klimaschutzorganisation, die es Unternehmen und Finanzinstituten weltweit ermöglicht, ihren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise zu leisten.

Ist Greenwashing illegal?

Unlauteres Wettbewerbsverhalten, Werbung mit offensichtlichen oder unwahren Tatsachen oder das Auslassen von wichtigen Informationen in der Werbung sind alles Praktiken, die bereits durch bestehende Wettbewerbs- und Konsumentenschutzgesetze verboten sind.

Weltweit werden derzeit zusätzlich Gesetze und Vorschriften speziell zum Thema Greenwashing ausgearbeitet. Das bekannteste Beispiel ist die Richtlinie über umweltbezogene Angaben der Europäischen Union (Green Claims Directive), die derzeit in der Konsultationsphase ist. Greenwashing wird durch diese neuen Gesetze und Vorschriften in den jeweiligen Jurisdiktionen also explizit illegal.

Der Vorschlag der Europäischen Union zu umweltbezogenen Angaben zielt darauf ab, …

  • … umweltbezogene Angaben in der gesamten EU zuverlässig, vergleichbar und überprüfbar zu machen.
  • … Verbraucherinnen und Verbraucher vor Greenwashing zu schützen.
  • … zur Schaffung einer kreislauforientierten und grünen EU-Wirtschaft beizutragen, indem Verbraucherinnen und Verbraucher die nötigen Informationen für fundierte Kaufentscheidungen haben.
  • … zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf die Umweltleistung von Produkten beizutragen.

Für die Finanzdienstleistungsbranche hat die EU bereits einen Transparenzrahmen geschaffen: die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR). Die SFDR legt fest, wie Finanzmarktteilnehmer Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen müssen. Dies ist wichtig für Anlegende, um fundierte Entscheidungen treffen zu können für die Investition in nachhaltige Unternehmen und Projekte.

Die Schweiz verfolgt in der Finanzbranche einen Selbstregulierungsansatz und wird ihr Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb im Jahr 2025 um einen Zusatz zu umweltbezogenen Behauptungen ergänzen.

Wie erkennt man, ob eine Marke, ein Produkt oder eine Investition nachhaltig ist?

Beim Investieren oder in Geschäftsbeziehungen ist es wichtig, Nachhaltigkeitsversprechen oder Green Claims gründlich zu prüfen. Die oben aufgeführten sechs Fragen können dabei hilfreich sein ebenso wie eine genauere Betrachtung der angebotenen wissenschaftlichen Nachweise für die Versprechen. Dabei sollte man sich auf etablierte Verifizierungssysteme oder Labels mit hoher Glaubwürdigkeit stützen, wie zum Beispiel die SBTi. In Marketingunterlagen sollten komplexe Sachverhalte nicht zu stark vereinfacht werden. Die Grenzen und Einschränkungen von Berechnungsgrundlagen sollten transparent aufgeführt werden. Ebenso sollte die Verwendung von Schätzungen, beispielsweise bei CO2-Berechnungen, ausgewiesen werden.

CO2-Berechnungen sollten wo immer möglich auf gemessenen Emissionen und nicht auf Schätzungen basieren. Auch wenn die Verwendung von Schätzungen in vielen Fällen nach wie vor notwendig ist, sollten diese mit offiziellen Quellen und Systemen abgestimmt werden, die allgemein anerkannt sind. Präzise Aussagen, in denen auch Einschränkungen oder genaue Emissionsreduzierungen erwähnt werden, sind in der Regel fundierter als allgemeine und weit gefasste Aussagen.