ETF-Handel: Wenn zwei Welten aufeinander treffen

ETF-Handel: Wenn zwei Welten aufeinander treffen

Der Begriff «Exchange Traded Funds» – übersetzt «börsengehandelte Fonds» – suggeriert, dass der natürliche Handelsplatz für ETFs die Börse ist. In der Praxis werden diese Produkte jedoch vorwiegend ausserbörslich gehandelt. Die Schweizer Börse versucht, dies mit innovativen Funktionalitäten zu ändern.

Als eine der ersten Börsen in Europa, die vor 21 Jahren ein ETF-Segment lanciert hat, lässt sich die Erfolgsgeschichte dieser Produkte im Kapital- und Anlagemarkt an SIX Swiss Exchange sehr gut verfolgen. Sie werden nicht nur von institutionellen Investoren genutzt, sondern finden sich immer häufiger auch in den Depots von Privatanlegern – dank überzeugenden Vorteilen: ETFs sind kostengünstig und bieten einfachen Zugang zu grossen Wertschriftenportfolios, dies in einem sicheren und hochregulierten «Fonds-Mantel», und sie können aufgrund liquider Sekundärmärkte jederzeit effizient gehandelt werden.

Nomen est Omen…oder nicht?

Wie der Name «Exchange Trades Funds» schon verrät, handelt es sich bei ETFs um Anlagefonds, die an einer Börse kotiert und handelbar sind. Allerdings werden sie in der Praxis oftmals nicht über die Börse abgewickelt. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon ist die Tatsache, dass institutionelle Investoren die Anteile von ETFs oftmals in grossen Mengen kaufen und verkaufen. Dies ist an der Börse in einem Orderbuch mit Vorhandelstransparenz schwierig zu handhaben, vor allem bei ETFs mit weniger liquiden Basiswerten. In diesen Produkten sind oft keine grösseren Volumen im börslichen Orderbuch verfügbar, da der Market Maker jederzeit ausführbare Preise stellen muss. Diese verbindlichen Preise sind ein attraktives Feature für Investoren, doch für den Market Maker birgt es Risiken, insbesondere bei schnellen Marktbewegungen.

Technologie fördert Automatisierung

Während in den Anfangsjahren grössere Abschlüsse meist OTC («Over the Counter») telefonisch abgewickelt wurden, hat sich dies in den letzten 10 Jahren zum elektronischen Handel auf den RFQ-Plattformen («Request for Quote») verschoben. Dort werden ausgewählte Liquiditätsanbieter («Liquidity Provider») gebeten, ein Kauf- oder Verkaufsangebot abzugeben, welches exklusiv für den Anfragenden zur Verfügung steht. Das beste Preisgebot wird ausgeführt und der Auftraggeber bekommt eine Bestätigung darüber, dass er bei mehreren Parteien angefragt und somit die «Best-Execution»-Regeln bei der Umsetzung beachtet hat. Dieser Prozess findet quasi ohne Vorhandelstransparenz und mit nur geringer Nachhandelstransparenz statt.

Mit MIFID 2 wurden diese Plattformen für kleinere Abschlüsse zu regulierten MTFs, was die Nachhandelstransparenz sicherlich etwas verbessert hat. Dies hat dazu geführt, dass nicht mehr nur grosse Blöcke via RFQ-Verfahren gehandelt werden, sondern vermehrt auch kleinere Abschlüsse dort stattfinden. Der Grund dafür ist die Automatisierung von Arbeitsabläufen – grosse und kleine Deals können heute über die gleiche elektronische Schnittstelle gehandelt werden.

Dieser Abfluss von Transaktionen, welche unter der LIS-Schwelle («Large in Scale») liegen, macht den traditionellen Börsen zu schaffen. Das RFQ-Modell auf die Börse zu übertragen, ist aus verschiedenen Gründen nicht einfach. Börsen haben in den meisten Fällen keinen direkten Zugang zur Buy-Side (z.B. Asset Manager, Pensionskassen) welche als Endkunden jedoch direkt RFQ-Plattformen nutzen können. Ausserdem wird das Universum der gehandelten ETFs von den Emittenten bestimmt und ist deshalb kleiner als das vollständige Angebot der RFQ-Plattformen. 

Einzigartige Vorteile des Börsenhandels

Nichtsdestotrotz bietet der Handel an der Börse viele Vorteile, vor allem in Sachen Transparenz und Abwicklung. Während der Handel an MTFs mit einer bilateralen Abwicklung verbunden ist, welche oftmals aufwendig und fehleranfällig ist, garantiert der Handel über ein Börsensystem die reibungslose Abwicklung. Zudem besitzen insbesondere die Schweizer Börsenteilnehmer überwiegend einen automatisierten Zugang zur Schweizer Börse, was den Handel erleichtert.

Um den ETF Handel vermehrt an die Börse zu bringen, ist die Idee vom «ETF Quote on Demand» (QOD) entstanden. Dies ist ein neues Orderbuch für den Handel mit ETFs und ETPs, welches in enger Zusammenarbeit mit ETF Market Makern und für dieses Segment wichtigen Handelsteilnehmern entwickelt und Ende 2020 lanciert wurde. QOD bietet institutionellen Anlegern die Möglichkeit, Order in einem Bieterverfahren direkt mit den wichtigsten Liquiditätsanbietern in Europa abzuwickeln. Dies kann sowohl vollautomatisiert als auch manuell geschehen. Für die manuelle Abwicklung stellt die Schweizer Börse ihren Teilnehmern eine eigens entwickelte Benutzeroberfläche zur Verfügung.

Ralf Rühling

Mit dem neuen Service Quote on Demand (QOD) versuchen wir, mehr Exchange Traded Fund (ETF)-Handel an die Börse zu bringen. Seit der Einführung dieses neuen Services sehen wir, dass 90 % der Trades entweder gleiche oder bessere Preise im Vergleich zum European Best Bid Offer erzielen - und das im Hinblick darauf, dass bald weitere Liquiditätsanbieter hinzukommen.

Alain Picard, Head Products, SIX Swiss Exchange

Beginn einer neuen Ära im ETF-Handel

QOD ist dabei wesentlich mehr als ein gewöhnlicher Request-for-Quote-Service: Durch die Integration in das bestehende Handelssystem ermöglicht QOD die nahtlose Abwicklung über eine zentrale Gegenpartei (CCP). On-exchange Handel mit Trade Reporting, Clearing und Abwicklung erfolgen somit in einem vollautomatisierten Straight-Through Processing. Zudem bietet der einzigartige Handelsservice die Möglichkeit, mit dem bestehenden Orderbuch (dem Quote Driven Market, kurz QDM) zu interagieren. Dabei wird der beste Preis aus dem QOD-Service mit den im Orderbuch bereitgestellten Kursen verglichen. Sollte eine Preisverbesserung möglich sein, kann es Teil- oder Gesamtausführungen im QDM geben.

Die Ausführungsqualität wird in einem automatisch generierten Report dokumentiert. Dieser wird den Handelsteilnehmern nach der Ausführung zur Verfügung gestellt und beinhaltet sowohl den Nachweis darüber, dass der beste von allen quotierten Preisen für den Abschluss herangezogen wurde, als auch einen Snapshot des Orderbuches QDM (zu Vergleichszwecken). Dem Auftraggeber werden dabei keine Ausführungskosten der Börse in Rechnung gestellt. 

Unverändert hohe Transparenz

Der neue regulierte Service bietet die gleiche Nachhandelstransparenz wie der bereits bestehende Orderbuchhandel. Zudem bietet QOD den Vorteil, dass alle Daten auf Schweizer Servern gespeichert und nicht ins Ausland gelangen. Mit QOD haben Handelsteilnehmer weiterhin die Möglichkeit, eine limitierte Order ins bestehende Orderbuch zu stellen oder grössere Volumen ohne Vorhandelstransparenz und damit minimierter Marktauswirkung abzuwickeln.

Mit der erfolgreichen Lancierung des QOD Service hat die Schweizer Börse eine neue Ära für ihr ETF-Segment eingeläutet. Mehr Transparenz und eine erhöhte Wahrnehmung des Handels mit ETFs ermöglichen eine Fortsetzung des beeindruckenden Wachstums. Bereits wenige Monate nach Einführung profitieren Handelsteilnehmer bereits heute aus der Kombination des klassischen Orderbuchhandels mit dem neuen QOD Service und erzielen damit für ihre Endkunden messbare Preisverbesserungen. Bis dato sind über 90% der Abschlüsse aus QOD gleich gut oder besser als der EBBO (European Best Bid Offer). Da sich in den nächsten Wochen und Monaten noch wichtige Liquiditätsanbieter anschliessen, rechnen wir damit, dass die Qualität der Abschlüsse noch weiter gesteigert wird.