Net Zero: Wie geht das wirklich?

Net Zero: Wie geht das wirklich?

Durch eine reine Reduktion der Emissionen wird die Gesellschaft keine CO₂-Neutralität erreichen. Zusätzlich braucht es neben der Reduktion auch eine aktive Entfernung von CO₂ aus unserer Atmosphäre. Dafür gibt es Technologien. Wie funktionieren sie? Lesen Sie es in diesem Blog.

Net Zero bis 2050. Dieses Ziel schreiben sich mehr und mehr Länder und Unternehmen weltweit auf die Fahne. Das bedeutet, dass sie im Jahr 2050 CO₂-Neutralität erreichen wollen. Jedoch heisst CO₂-Neutralität nicht, dass all diese Länder und Unternehmen keine Emissionen mehr verursachen. Global alle Emissionen bis 2050 zu stoppen ist schlicht unmöglich.

Um CO₂-Neutralität zu erreichen, brauchen wir deshalb mehr als eine Reduktion der Emissionen. Stattdessen muss auch bereits emittiertes CO₂ aktiv aus der Atmosphäre entnommen werden. Die Schweiz hat das erkannt. Nach jüngsten Anpassungen im Klima- und Innovationsgesetz müssen Schweizer Unternehmen konkrete Pläne vorlegen, wie sie CO₂ aktiv aus der Atmosphäre entfernen wollen. Das ist möglich – dank Carbon-Dioxide-Removal-Technologien. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die vielversprechendsten Methoden und zeigen auf, wie sie funktionieren. 

Was ist Carbon Dioxide Removal?

Carbon Dioxide Removal (CDR) bezeichnet alle Technologien und Methoden, mit denen CO₂ aktiv aus der Atmosphäre entfernt wird. Die Bedeutung von CDR liegt darin, dass diese Ansätze nicht nur neue Emissionen kompensieren, sondern auch dazu beitragen können, historische Emissionen abzubauen und überschüssiges CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen. Viele dieser Technologien befinden sich noch in der Entwicklungsphase und sind mit hohen Kosten oder unbekannten Auswirkungen verbunden. Dennoch wird CDR als unverzichtbarer Bestandteil der globalen Bemühungen angesehen, den Klimawandel einzudämmen und eine nachhaltige Zukunft zu sichern. 

Welche Technologien für CDR gibt es?

Zu den drei bedeutendsten und vielversprechendsten Methoden zur langfristigen Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre gehören Biochar Carbon Removal, Enhanced Weathering (beschleunigte Verwitterung) und Direct Air Capture. Nachfolgend erklären wir, wie diese Technologien funktionieren. 

Biochar Carbon Removal

Photosynthese ist der effizienteste Weg, um CO₂ aus der Atmosphäre zu binden. Dieser Prozess funktioniert aber nur befristet. Wenn Pflanzen sich zersetzen oder verbrannt werden, wird der in ihnen gespeicherte Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre ausgestossen, in Form von CO2 oder unter besonderen Umständen sogar von Methan, wobei Letzteres noch eine stärkere Treibhausgaswirkung hat. Biochar Carbon Removal setzt genau hier an. Verschiedene Arten von getrockneter Biomasse auf Pflanzenbasis enthalten ungefähr die Hälfte ihres Gewichts in Form von CO2. Wenn man diese Masse ohne Sauerstoffzufuhr erhitzt, entsteht Pflanzenkohle, auch Biochar genannt. Biochar. Biochar ist im Grunde genommen von Pflanzen gebundener Kohlenstoff, der in eine sehr stabile Form transformiert wurde. Sieht aus wie Kohle und bleibt über mehrere Hundert Jahre stabil – besonders wenn es gezielt eingesetzt wird.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Biochar die Bodenqualität verbessert – vor allem in trockenen Gebieten fungiert Biochar als sehr effizienter Speicher für Wasser und Mineralien. Und das ist noch nicht alles: Bei der Produktion von Biochar entstehen Gase, die wiederum in Energie umgewandelt werden können. Ein Teil davon wird gebraucht, um die Anlage zu betreiben, mit der Biochar produziert wird. Die restlichen Gase können eingesetzt werden, um erneuerbare Energie zu produzieren. 

Enhanced Weathering (beschleunigte Verwitterung)

In der Natur verwittern Gesteine durch Wettereinflüsse wie Regen, Hitze oder Frost. Dabei reagieren bestimmte Mineralien im Gestein chemisch mit dem CO₂ in der Luft oder im Regenwasser. Durch diese Reaktion wird CO₂ in Form von Karbonaten gebunden, die sich über die Zeit im Boden oder in Gewässern ablagern. Dieser natürliche Prozess ist jedoch sehr langsam und kann Tausende bis Millionen Jahre dauern.

Doch er kann beschleunigt werden. Dazu verarbeiten Maschinen Gestein zu Pulver. Das vergrössert die Oberfläche. Dieses Pulver wird auf Böden, Wiesen oder in Gewässern verteilt. Durch Kontakt mit Regenwasser und dem CO₂ in der Luft findet eine chemische Reaktion statt. Dabei wird das CO₂ dauerhaft in Karbonate umgewandelt, die im Boden oder im Wasser gespeichert bleiben. Durch Enhanced Weathering läuft dieser ganze Prozess rund 50’000 Mal schneller ab als auf natürliche Weise.

Enhanced Weathering entzieht der Atmosphäre CO₂ und kann – genauso wie Biochar – die Bodenqualität verbessern und teuren Dünger ersetzen. Jedoch gibt es auch Herausforderungen. Ein wichtiger Faktor ist die grosse Variabilität der Verwitterungsprozesse, die stark vom verwendeten Gesteinsmaterial, Boden und Klima abhängen. Ein weiterer Faktor ist die Schwierigkeit, zuverlässig zu quantifizieren, wie viel CO₂ in welchem Zeitraum gebunden wurde. Besonders die Probenentnahme und die Modellierung stellen noch grosse Herausforderungen dar.

Direct Air Capture und Storage

Mit Direct Air Capture wird CO2 direkt der Atmosphäre entzogen. Hierbei wird Umgebungsluft mit grossen Ventilatoren angesaugt. Da Aussenluft nur einen geringen Anteil an CO₂ enthält, muss der Luftstrom dafür möglichst gross sein. Die Luft durchläuft anschliessend chemische Filter, die das CO₂ mithilfe spezieller Materialien binden. Danach wird das CO₂ komprimiert und gereinigt, bevor es transportiert und gespeichert werden kann. Dabei entsteht eine farb- und geruchlose Flüssigkeit. Weil das gebundene CO₂ bei Direct Air Capture einen sehr hohen Reinheitsgrad hat, kann es auch wiederverwendet werden, etwa zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, Baustoffen oder Chemikalien. Alternativ kann das CO₂ aus Direct Air Capture in geologischen Formationen, wie z.B. unterirdischen Gesteinsschichten, dauerhaft gespeichert werden. Momentan ist Direct Air Capture sehr kostenintensiv. Das liegt vor allem am hohen Energiebedarf der Ventilatoren und der geringen technologischen Reife.

Wie viel CO₂ wird heute schon entfernt?

Aktuell werden jedes Jahr etwa 2,2 Milliarden Tonnen CO₂ weltweit aus der Atmosphäre entfernt. Das geschieht hauptsächlich durch konventionelle Methoden wie die Wiederaufforstung. Laut dem internationalen Bericht «The State of Carbon Dioxide Removal» der Universität Oxford entfernen neuere Technologien (wie z.B. Biochar Carbon Removal, Enhanced Weathering und Direct Air Capture) heute lediglich 1,3 Millionen Tonnen CO₂ jährlich. Das entspricht einem Anteil von weniger als 0,1 % der entzogenen Menge. In den nächsten Jahren muss dieser Anteil stark steigen. Denn wie bereits vorhin erklärt: Wiederaufforstung ist zwar ein wichtiges Mittel, aber eine kurzfristige Lösung, da Pflanzen das CO₂ wieder freisetzen, wenn sie sich zersetzen oder verbrennen. Und Net Zero kann nur durch die Entfernung und langfristige Speicherung von CO₂ erreicht werden.

Wie soll CDR finanziert werden?

Bei der Finanzierung dieser Technologien spielen CO2-Zertifikate eine grosse Rolle. Vor allem auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt besteht noch viel Potenzial. Im freiwilligen Markt entscheiden sich Unternehmen aus eigenem Antrieb für den Kauf von Zertifikaten, oft aus strategischen Gründen wie der Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsbilanz, als Vorbereitung auf strengere Regulierungen in der Zukunft oder um Erwartungen ihrer Kundschaft und der Investierenden zu erfüllen. Wie das im Detail funktioniert, erklären wir nächste Woche im zweiten Teil dieses Blogs.