Wird künstliche Intelligenz die Klimakrise lösen oder sogar verstärken?

Wird künstliche Intelligenz die Klimakrise lösen oder sogar verstärken?

Künstliche Intelligenz (KI) fasziniert und polarisiert: Einerseits braucht generative KI Strom, der von Rechenzentren weltweit verbraucht wird. Andererseits gibt es kaum eine Technologie mit so viel Potenzial, die Klimakrise aktiv zu bekämpfen. Die grosse Frage bleibt: Wie kann KI helfen, nachhaltige Entwicklung zu beschleunigen – und wird sie am Ende mehr schaden oder nutzen?

Künstliche Intelligenz (KI) hat in Form generativer KI die Massen erreicht – und das rasend schnell. Zum Vergleich: Während TikTok neun Monate brauchte, um 100 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zu erreichen, benötigte ChatGPT dafür nur zwei. Die Folge: zusätzlicher Stromverbrauch in entsprechenden Data Centers.

Gleichzeitig ruhen grosse Hoffnungen auf KI. Viele Fachleute erhoffen sich von der Technologie unter anderem Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise. Die grosse Frage ist deshalb: Wird KI helfen, die Klimakrise zu lösen oder wird sie sie verstärken?

Wie viele Nutzerinnen und Nutzer hat ChatGPT?

Im Dezember 2024 hatte ChatGPT mehr als 300 Millionen wöchentliche Nutzerinnen und Nutzer. Diese senden jede Woche ungefähr 7 Milliarden Anfragen an das Large Language Model (LLM). Das braucht Strom und führt entsprechend auch zu Emissionen. 

Wie viel CO2 verursacht ChatGPT?

Laut einer Berechnung von Piktochart entstehen ungefähr 4,23 Gramm CO2 für eine einzelne Anfrage an ChatGPT. Die Bandbreite der Schätzungen variiert je nach den hinterlegten Annahmen stark. Bleiben wir aber bei diesem Zahlenbeispiel: Hochgerechnet auf die 7 Milliarden Anfragen entstehen bei ChatGPT rund 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr – Tendenz steigend.

Im Vergleich emittiert ein durchschnittliches Verbrennerauto ungefähr 4,73 Tonnen CO2 pro Jahr gemäss der United States Environmental Protection Agency. Das heisst, mit den aktuellen Nutzerzahlen emittieren allein die Anfragen an das LLM ChatGPT jährlich so viel wie 350’000 Verbrennerautos. 

Wofür verbraucht generative KI Strom?

Generative KI steigert den Stromverbrauch von Data Centers. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen braucht es eine grosse Menge an Daten, um ein KI-Modell zu trainieren. Beim Training lernt das Programm, wie es sich in verschiedensten Situationen verhalten soll – basierend auf zahlreichen Daten und Beispielen. Dieser Prozess kann e nach Grösse des Modells einige Minuten bis zu mehreren Monaten dauern. Das erfordert spezielle Hardware, die während des gesamten Zeitraums ununterbrochen arbeitet. Das Training eines grösseren Modells kann so viel Strom verbrauchen, wie Tausende Haushalte in einem Monat.

Doch auch die Nutzung des fertigen Produkts verbraucht Ressourcen. Bei jeder einzelnen Anfrage werden Milliarden von Berechnungen durchgeführt, die auf Hochleistungsservern laufen. Diese Server stehen in grossen Data Centers. Da sie rund um die Uhr gekühlt werden müssen, wird nicht nur Strom, sondern auch Wasser verbraucht.

Stand heute sind die Data Centers in ihrem gesamten Leistungsumfang für 1 bis 2 % des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Der Strom kann dabei direkt oder indirekt aus fossilen Brennstoffen stammen. Glaubt man einer Studie von Goldman Sachs, so wird dieser Anteil bis 2030 auf rund 3 bis 4 % anwachsen. Verantwortlich für diesen prognostizierten Anstieg ist in erster Linie generative KI.

Wie hilft KI beim Klimaschutz?

Gleichzeitig liegen grosse Hoffnungen auf KI, um den Kampf gegen den Klimawandel zu bestreiten. KI kommt dabei bereits heute in ganz unterschiedlichen Formen zum Einsatz. Hier einige Anwendungen:

  • Wetterprognosen
    KI wird bei Klimamodellen und Wettervorhersagen eingesetzt. Das führt einerseits zu präziseren Vorhersagen für sich häufende extreme Wetterereignisse wie Stürme, Dürren oder Überschwemmungen. Andererseits helfen die Vorhersagen dabei, erneuerbare Energiequellen effizienter zu gestalten. Durch präzise Wetterdaten und historische Muster können Überlastungen, aber auch Überkapazitäten, etwa in Solar- oder Windkraftwerken, minimiert werden.

  • Gebäudetechnologie
    Wussten Sie, dass rund 30 % des weltweiten Stromverbrauchs auf den Betrieb von Gebäuden zurückfällt? Auch hier kann KI helfen, Muster zu erkennen und Energie da zu sparen, wo es sie nicht braucht. Gleichzeitig kann KI den Energiebedarf – zum Beispiel auf Basis von Wetterprognosen – besser vorhersagen, was die Integration von erneuerbaren Energien erleichtert. Diese Technologie ist unter dem Konzept der «Smart Buildings» bekannt, wo Gebäude ihren Energieverbrauch selbst optimieren und so die Energieeffizienz gesteigert werden kann.

  • CO2-Fussabdruck
    Unternehmen können mit KI ihren CO2-Fussabdruck präziser bestimmen. KI kann hier helfen, Daten aus verschiedensten Quellen zu sammeln und zu analysieren, beispielsweise aus der Logistik oder von Lieferketten. Das hilft, Schwachstellen zu identifizieren und zu beseitigen. Zudem können präzise KI-Modelle Emissionen schätzen, Einsparpotenziale aufzeigen und Szenarien simulieren, um nachhaltige Strategien zu entwickeln.

  • Schmelzwasser am Nord- und Südpol
    Auch am Nord- und Südpol kommt KI bereits zum Einsatz. Forschende können mithilfe der Technologie ermitteln, wie viel Eis schmilzt, wann es schmilzt und wo es schmilzt. Das hilft dabei, zu bestimmen, wie viel Schmelzwasser ins Meer läuft.

  • Landwirtschaft
    Ein weiterer Anwendungspunkt: die Landwirtschaft. Hier analysiert KI Daten zu Wetter, Bodenqualität und Pflanzenbedingungen. Das erhöht die Effizienz der Bodenbearbeitung, Schädlingsbekämpfung und Ernte und schützt gleichzeitig den Boden vor Erosion und Übernutzung.

Das sind nur einige von vielen Beispielen, wie KI dazu eingesetzt wird, die Welt nachhaltiger zu machen. 

Was ist Dark Data?

KI ist eine zusätzliche Stromverbraucherin – daran wird sich vorerst nichts ändern. Dafür kann KI beispielsweise dazu beitragen, dass das Management von Daten nachhaltiger wird. Hier sind vor allem die Unternehmen in der Pflicht. Stichwort: Dark Data. Der Begriff bezeichnet Daten, die Unternehmen zwar sammeln, aber nicht nutzen. In einer Umfrage von Softwareanbieter Splunk mit 1300 Unternehmen gaben 60 % davon an, dass mehr als die Hälfte ihrer Daten nicht mehr genutzt werden. Das ist viel Energie, die für deren Speicherung ohne Not verbraucht wird. Unternehmen stehen hier in der Pflicht, bewusster mit ihren Daten zu haushalten. 

Wie viel Strom kommt aus erneuerbaren Energien?

Im Jahr 2023 stammten global rund 30 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Zum Vergleich: 2012 waren es noch 20 %. Die Entwicklung geht also in eine positive Richtung. Die Frage ist jedoch: Kann sie mit dem steigenden Verbrauch mithalten? Das Problem mit dem hohen Stromverbrauch sind in erster Linie fossile Brennstoffe. Wenn hypothetisch die gesamte Elektrizität weltweit aus erneuerbaren Quellen bezogen würde, wären KI und andere ressourcenintensive Technologien wie etwa Kryptowährungen zwar nicht emissionsfrei (z.B. wegen des Baus von Rechenzentren oder der Kühlung mit Wasser), hätten aber eine weitaus bessere Klimabilanz. Es gibt einige Studien, die besagen, dass es realistisch ist, dass die weltweite Energieproduktion bis 2050 zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammt.

Demgegenüber stehen aber Studien, die das nicht für machbar halten. Klar ist: Technologien wie generative KI steigern den globalen Stromverbrauch. Der Wechsel zu erneuerbaren Energiequellen hat nun mehr denn je Priorität. 

KI: Die Waage zwischen Nutzen und Schaden

Ob KI die Klimakrise verschärft oder lindert, hängt von ihrer Anwendung und unserem Umgang damit ab. Während sie in ihrer aktuellen Form zu mehr Stromverbrauch beiträgt, liegt ihr Potenzial im gezielten Einsatz zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen. Unternehmen, Regierungen und Privatpersonen sind gleichermassen gefragt, um die Technologie bewusst und verantwortungsvoll einzusetzen.